Halten die Bilder die Malerin jung, oder ist es vielmehr die Malerin, die ihren Werken eine Jugendfrische einhaucht? fragt man sich beim Betrachten von Teruko Yokois neueren Arbeiten. Die Wirkung ist gegenseitig, das steht ausser Zweifel. Teruko Yokois Arbeiten eignet eine unverbrauchte Direktheit und Spontaneität in der Ansprache. Bis vor kurzem war die 1924 in Nagoya geborene Künstlerin noch täglich in ihrem Atelier - es schien, dass sie mit der nämlichen selbstverständlichen Notwendigkeit malte, wie sie atmet.
Sie ist sich über die Jahrzehnte ihres kontinuierlichen Schaffens hinweg treu geblieben, ohne sich den rasanten Veränderungen ihrer jeweiligen Umwelt zu verschliessen. Vielleicht sind ihre Arbeiten in den letzten Jahren etwas kleiner geworden. Womöglich teilt sie sich noch unmittelbarer mit als früher und schöpft noch selbstverständlicher und intuitiver aus ihrem Erfahrungsschatz. Während sie im Frühwerk die Ölmalerei auf Leinwand bevorzugte, bevorzugt sie nun als Bildträger Papier. Mit Bedacht ausgewählt, entspricht dieses ihren in Aquarell, Gouache, Eitempera und Acrylfarbe gewirkten Bildern, die stets einen besonderen Status zwischen impressionistischer Momenthaftigkeit und expressionstischer Verinnerlichung einnehmen.
Teruko Yokoi malt Blumen: Lilien, Cannas, Seerosen, Chrysanthemen, Blütenzweige und immer wieder Mohnblumen. "Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose" dichtete Gertrud Stein einmal. Auch die rot glühende Mohnblume mit ihrem schwarzgrünen Stempel von Teruko Yokoi ist Mohnblume, aber noch viel mehr. Sie ist in ihrer kürzelhaften Wiedergabe auch Bildzeichen und Mitteilung der Künstlerin, sie ist eine Vokabel ihres Alphabets, ein Klang auf ihrer Farbtastatur. Die Malerin stimmt leise, fein modulierte Töne an und meldet sich mit stillen, in sich gekehrten Mitteilungen.
Teruko Yokoi versteht sich nicht als eine, die die Kunst revolutionieren will. Nie propagierte sie den Ausstieg aus dem Bild, nie das Wand füllende Format, immer hielt sie sich selbstverständlich und unverkrampft an die Möglichkeiten der tradierten Malerei und hat in dieser Beschränkung seit je Werke geschaffen, die in ihrer zarten Sinnlichkeit unverwechselbar eigen und nachhaltig wirken.
Die Künstlerin hatte das Glück in eine Familie hineingeboren worden zu sein, die ihre künstlerischen Fähigkeiten früh entdeckte und förderte. Ihr Vater war ein leidenschaftlicher Verfasser von Haikus, den japanischen Kurzgedichten. Dieses Erbe scheint die Tochter geprägt zu haben. Ihre Affinität zum gesprochenen Wort, das sich in ihren Gedichten äussert, prägt auch ihre Bildsprache: "Meine Bilder sind in Farbe geschriebene Gedichte zu vier Jahreszeiten." In ihrer Reduktion muten ihre Bildwerke oft wie lapidare, immer aber stimmungsvolle Sentenzen oder Aphorismen an. Es wäre jedoch voreilig, in ihnen Bild gewordene Haikus zu sehen. So prägend der fernöstliche Hintergrund und die Verwurzelung im japanischen Kulturgut für das Verständnis von Teruko Yokois Arbeit sind, diese Bezüge werden ihnen nicht umfassend gerecht: Früh kam die angehende Künstlerin nach Amerika und studierte in San Francisco, später in New York bei Hans Hofmann. Hier, in diesem melting pot der neuen Kunstrichtungen und dem Geburtsort des abstrakten Expressionismus löste sie sich von der Bindung an Gegenstand und Figur, ohne diese je ganz preiszugeben. Inspiriert von der grossflächigen Malerei eines Franz Kline, Mark Rothko und Jackson Pollock wurde auch ihr Ausdruck freier und kühner. Da verläuft eine Farbspur, sich ihren eigenen Weg bahnend, dort stossen starke Farben dissonant aneinander. In Amerika lernte sie auch den zu internationalem Ansehen gelangten Maler Sam Francis kennen, einen Begründer des Tachismus mit einer feinen Sensibilität für den Japonismus und dessen Poesie. Sie heiratete ihn und gebar ihm 1959 eine Tochter. In den USA öffneten sich ihr neue Ausdruckswelten, von denen sie genau jene Anregungen aufgenommen hat, die zu ihrem Kunstverständnis passten und dazu dienten, ihren blühenden Blumenbildergarten zu befruchten.
Über den Schweizer Galeristen Eberhard W. Kornfeld, der das Werk von Sam Francis vertrat, aber auch schnell Zugang zu Teruko Yokois Schaffen fand und es engagiert förderte, führte ihr Weg in die Schweiz nach Bern, wo sie bis heute ihren Lebensmittelpunkt hat - in Bern, einer Stadt gleichsam im Herzen Europas. Und auch hier stösst ihr Werk auf breite Akzeptanz, findet Liebhaber und Sammler, was Ausstellungen in Bern, Basel, Winterthur und Zürich belegen.
Teruko Yokois Leben blieb nicht von Unbill verschont, ihre Kunst aber blendet Leiden und Trauer aus. Schon als Jugendliche verstand sie ihre Bilder als Geschenke, die sie weitergeben wollte. So habe sie, weiss Theres Bhattacharya-Stettler zu berichten, während des Zweiten Weltkriegs zusammen mit einer Freundin illustrierte Hefte für die Soldaten gestaltet. Sie durfte erleben, wie diese aus einem tiefen Mitgefühl heraus geschaffenen Arbeiten von ihren Adressaten freudig und dankbar aufgenommen wurden.
In der Natur mit ihren steten Metamorphosen im Wechsel der Jahres- und Tageszeiten und mit ihrer Kraft zur zyklischen Erneuerung findet sie eine unerschöpfliche Quelle der Anregung für ihre Bilder. In ihrem Bekenntnis zu einem idealen Schönheitsbegriff kommt sie dem bewunderten französischen Maler Henri Matisse nahe, der seine Malerei als eine Form der seelisch geistigen Erbauung verstanden hat, als ein "Linderungsmittel, ein seelisches Beruhigungsmittel". Er widmete sie dem vom hektischen Leben umgetriebenen Städter zur Erholung für Augen und Sinne - "Luxe, calme et volupté" betitelte er denn eines seiner bekanntesten Werke. Etwas von der Matisse'schen Gelassenheit schwingt auch in den Werken Teruko Yokois mit. Insofern steht sie der französischen Kunst und Kultur nahe und ist als Japanerin mit amerikanischem Gepräge auch Europäerin.
Wichtiger als alle geographischen Verortungen aber ist die Wirkung ihrer Werke: Über das Auge sprechen sie die Empfindung des Betrachters an und lösen in ihm Vibrationen aus, die ihn verlebendigen und erheitern.Do paintings keep the painter young, or is it rather the painter who breathes a youthful freshness into her works? This is a question we ask ourselves on contemplating the more recent works of Teruko Yokoi. The effect is reciprocal, that is beyond doubt. Teruko Yokoi’s works have a fresh directness and spontaneity of approach. The artist, born in Nagoya in 1924, until recently was at her studio every day – and it seemed that she painted with the same self-evident imperative as breathing.
Over decades of continuous production, she has remained true to her work, without closing herself off to the rapid changes in her environment. Perhaps her works have become somewhat smaller in recent years. Quite possibly she communicates even more directly than before and draws on her wealth of experience in a more matter-of-fact and intuitive way. While in her early work she preferred oil on canvas, she now favours works on paper. Carefully selected, these are her paintings in watercolour, gouache, egg tempera and acrylic, which occupy a special space between the impressionistic fleeting moment and expressionistic internalization.
Teruko Yokoi paints flowers: lilies, cannas, waterlilies, chrysanthemums, sprays of flowers and, again and again, poppies. ”A rose is a rose is a rose”, Gertrude Stein once wrote. Teruko Yokoi’s glowing red poppy with its black and green pistil is also a poppy, but yet much more. Its condensed representation is a symbol and a message, it is a word from her alphabet, a sound on her colour keyboard. The painter sings out in quiet, finely modulated tones, and communicates in calm, self-contained messages.
Teruko Yokoi does not see herself as someone who wishes to revolutionise art. She has never advocated a departure from the picture format, never occupied an entire wall, and has always had a natural and uninhibited attitude towards the possibilities of traditional painting, and within these limitations has always produced works which, in their delicate sensuality, have an unmistakably distinct and enduring effect.
The artist had the good fortune to be born into a family that discovered and encouraged her artistic abilities early on. Her father was a passionate writer of Haikus, Japanese short poetry. This legacy seems to have shaped the daughter. Her affinity with the spoken word, which is expressed in her poems, also characterises her pictorial language: "My pictures are poems written in colour for the four seasons." In their reductive state, her pictorial works often appear as concise, but always atmospheric sentences or aphorisms. It would be rash to see them as Haikus in pictorial form. While the Far Eastern background and rootedness in her Japanese cultural heritage are central to understanding the work of Teruko Yokoi, these references do not fully do it justice: the budding artist arrived in America at an early age and studied in San Francisco and later in New York with Hans Hofmann. Here, in this melting pot of new artistic directions and the birthplace of Abstract Expressionism, she freed herself from the attachment to the object and figure, without giving them up entirely. Inspired by the large-scale paintings of Franz Kline, Mark Rothko and Jackson Pollock, her expression became freer and more audacious. Here a trail of colour would find its own path, there strong colours would clash discordantly. In America she met Sam Francis, painter of international renown, one of the founders of Tachisme and with a heightened sensitivity for Japanese culture and its poetry. She married him and bore him a daughter in 1959. In the USA new worlds of expression were opened up to her, from which she took precisely those stimuli which suited her understanding of art and which served to fertilize her blossoming garden of flower pictures.
Through the Swiss gallery owner Eberhard W. Kornfeld, who represented Sam Francis and who soon became interested in Teruko Yokoi’s work and promoted it diligently, she came to Bern in Switzerland, a city around which her life is still centred, and which is also at the heart of Europe. Here too, her work enjoys a wide acceptance with enthusiasts and collectors, as demonstrated by the number of exhibitions held in Bern, Basel, Winterthur and Zurich.
Teruko Yokoi’s life has not been without sadness, but her art outshines the suffering and grief. Even in her youth she understood her pictures as gifts, which she wanted to pass on. So, as Theres Bhattacharya-Stettler relates, during the Second World War she and a friend illustrated booklets for the soldiers. She was able to experience how these works, produced from a deep sense of compassion, were received with great joy and gratitude.
In nature, with its constant metamorphoses, changes of seasons and times of day, and the power of cyclical renewal, she finds an inexhaustible source of inspiration for her pictures. In her commitment to an ideal concept of beauty, she comes close to the revered French painter Henri Matisse, who understood his painting as a form of emotional edification, as a "soothing balm, something to calm the emotions". He dedicated his art to giving the eyes and the senses some respite from the hectic life of the city: "Luxe, calme et volupté" is the title of one of his most famous works. Something of Matisse’s serenity resonates throughout the work of Teruko Yokoi. In this respect, her work is close to French art and culture, and she is, as a Japanese woman with American influence, also a European.
More important than all geographic locations however, is the effect of her works: through the eye they speak to the viewer’s feelings, and release vibrations which animate and enliven.